Geschichte

Historie des GIF

Das Gestalt-Institut Frankfurt am Main e.V. wurde 1979 gegründet.

Die Gestalttherapie als ganzheitlich denkender Ansatz greift von Beginn an auf unterschiedliche theoretische Quellen zurück und hat ebenso breit gefächerte Anwendungsfelder gefunden. Das Konzept des Gestalt-Institut Frankfurt am Main (GIF) und seine institutionelle Entwicklung ist ein Spiegel dieser polydisziplinären Dynamik. Dementsprechend schaut das Institut seit seiner Gründung im Jahre 1979 auf wechselnde inhaltliche und organisatorische Schwerpunkte zurück.

Die Anfangsjahre waren vom emanzipatorischen Geist der sozialpolitischen Autonomiebewegungen der 60er und 70er Jahre durchdrungen. Das damalige gesellschaftliche Klima orientierte sich an Ideen zur individuellen und kollektiven Selbstorganisation, wie

Selbstverantwortung

Und nun etwas Grundsätzliches zu Wachstum und menschlichem Potential. Meine Definition lautet folgendermaßen: Ich verstehe unter Wachstum und Reifung die Umwandlung der Unterstützung, die wir durch die Umwelt erhalten, in Selbständigkeit und Selbsthilfe.
F.S.Perls/P.Baumgardt (1990): Das Vermächtnis der Gestalttherapie. S.121

Anarchismus (Communitas)

Eine freie Gesellschaft entsteht nicht, in dem die alte Ordnung durch eine neue Ordnung ersetzt wird. Sie entsteht vielmehr durch die Ausdehnung des Raumes für freie Handlungen bis diese das soziale Leben bestimmen.
Paul Goodman (1962): May Pamphlet. In Zeitschrift GESTALTTHERAPIE (1993, 1), S.23

Persönlichkeitsförderung

mit der Betonung auf Sinnlichkeit und Körperlichkeit als Wiederbelebung des Selbst begriffen, wie der deutsche Titel eines Grundlagenwerks lautet.
Der Mensch transzendiert sich nur über seine wahre Natur, nicht über Ehrgeiz und künstliche Ziele.
F.S..Perls (1976): Grundlagen der Gestalt-Therapie. S. 99

Die Zitate illustrieren etwas von der sozialkritischen Radikalität, aber auch beschwingten Unbekümmertheit dieser Zeit. Es wurde dementsprechend motiviert und risikoreich in vielen Feldern experimentiert. Gegen Ende der 80er veränderte sich die allgemeine Atmosphäre, das GIF wandelte sich, die fröhliche Anarchie der Gründerzeit geriet zugunsten fachlicher Professionalisierungsprozesse in den Hintergrund.

Parallel zu den gesellschaftlichen und berufspolitischen Veränderungen trat das Institut in eine Phase der Institutionalisierung und Versachlichung ein. D.h., man arbeitete mit großer Energie an einem komplexen inhaltlichen und organisatorischen Profil. Die Professionalisierung der Arbeitsstrukturen und die theoretische und pragmatische Fundierung der Konzepte voranzutreiben, standen nun im Vordergrund. In dieser Zeit arbeitete das GIF solange an konzeptionellen und fachpolitischen Standards, bis ein prägnantes und verbindendes Fundament für die verschiedenen Arbeitsfelder (Fortbildung, Psychotherapie und psychosoziale Beratung, Supervision) gefunden war, das die Praxis des GIF in Zukunft tragen konnte. Ohne ein hochengagiertes Team, mit der Bereitschaft jedes Einzelnen, ein leistungskräftiges Institut dieser Verknüpfungen gemeinsam voranzutreiben, wäre diese Umwandlungsphase nicht gelungen.

Um Auswählen und Verbinden geht es auch in Theorie und Praxis der Gestalttherapie, wenn sich dort zur Zeit immer mehr die Meinung durchsetzt, dass keines der etablierten Psychotherapieverfahren den Stein der Weisen für sich beanspruchen kann, sondern es statt dessen für Therapeutinnen aller Schulen notwendig ist, über den Tellerrand des eigenen Ansatzes hinauszublicken.

Ulrich Lessin (1996): Eklektik und Integration. Infragestellung einer interessengeleiteten Alternative. In: GESTALTZEITUNG, S. 9


Gestalttherapie hat ganz dringend notwendige und reichhaltige Aufgaben in unserer Zeit, die in der vollständigen Verwirklichung des Rationalen und der Transformation zum Transrationalen liegen. Damit könnten wir vielleicht beitragen zur Entwicklung grundsätzlich neuer Möglichkeiten für personale Bildungsprozesse und für die Lösung von gesellschaftlichen Konflikten und sozial-politischen Problemen.

Reinhard Fuhr (1998): Persönlichkeitsentwicklung und Gestalttherapie. In: GESTALTZEITUNG, S. 10


Meines Erachtens sind drei wesentliche Forderungen an eine systemische Konzeption zu stellen:
– es sollte sich um eine Mehrebenen-Konzeption handeln, die Prozesse auf biosomatischer, kognitiv-emotionaler und interaktioneller Betrachtungsebene berücksichtigen kann;

Jürgen Kriz (2000): Vom Nutzen einer personzentrierten Perspektive. In: GESTALTZEITUNG, S.3


In dieser Phase veränderte sich auch – entsprechend der angesprochenen Wandlung ins Sachbezogene – die personelle Zusammensetzung des GIF. Eine Reihe ehemaliger Gründungsmitglieder sind diese Schritte nicht mehr mitgegangen, neue KollegInnen kamen hinzu. Der neue Hintergrund eines rationaleren Selbstverständnisses, das eigenständige Betonungen und übergeordnete fachpolitische Perspektiven vereint, führte dann auch zur Mitarbeit in mehreren Verbänden (DVG, EAGT, DVP, EAP), Gremien und Fachorganen und der Teilnahme sowie Durchführung von Symposien und größeren Tagungen.

Mittlerweile sind wir in ein weiteres Entwicklungsstadium übergegangen, dass den gesellschaftlichen Umbrüchen und konkreten Erfordernissen der Postmoderne Rechnung trägt.

Viel Kurioses wird sich abspielen in dieser Zeit des Übergangs, die eine Zeit des Chaos ist. (…) Was bisher unvereinbar erschien, geht plötzlich zusammen: sowohl als auch. Oder es tun sich ganz neue, bisher unbekannte Wirklichkeiten auf: weder – noch. Der Engpaß – oder die Übergangsphase – ist kein Lernprozess.

Rolf Heinzmann/Detlef Klöckner (2002): Postmoderne Kleinkunst oder: die fragmentarische Inszenierung gestalttherapeutischer Wirklichkeiten. In: GESTALTZEITUNG, S.12


Es heißt bei Touraine: ‚Nur dem Einzelnen kann eine solche Neugestaltung gelingen.’ Oder in der Ottawa Charta ist davon die Rede, dass der Einzelne in die Lage versetzt werden soll, für sich und andere zu ‚sorgen’. ‚Politik der Lebensführung’ heißt diese Aufgabe bei Anthony Giddens und Michel Foucault spricht von ‚Selbstsorge’ und entwickelt daraus die Idee der ‚Lebenskunst’ oder der ‚Ästhetik der Existenz.’

Heiner Keupp (2004): Gesellschaftlicher Umbruch und seine Konsequenzen für die individuelle Lebensgestaltung. In: GESTALTZEITUNG, S.11


Vielleicht wird man die aktuelle Gegenwart des GIF später als Differenzierungsphase beschreiben. Unmittelbarer Ausdruck unserer augenblicklichen Situation ist das neue Corporate Design des Instituts, das seine ehemalige New Age – Ästhetik abgelegt hat und mehr die konzeptionellen Basics der Gestalttheorie betont.

Entsprechend haben sich auch unsere Fortbildungsangebote verändert. Neben (a) der allgemeinen Basisfortbildung nach dem Ansatz der Gestalttherapie fächert sich der Fortbildungskatalog weiter in eine Reihe von (b) einjährigen Fortgeschrittenen – Kursen zu verschiedenen Themen und Praxiskontexten und (c) einzelne Workshops zu speziellen Fragestellungen.

Ein weiteres Zeichen des – im Verbund mit dem Differenzierungsprozess – neu gewonnen Selbstverständnisses ist auch die Tatsache, das sich das GIF wieder verstärkt in aktuelle gesellschaftliche Fragen einmischt – vgl. die Beiträge in der Jahresschrift des GIF, der GESTALTZEITUNG – und traditionelle Perspektiven des Gestalt – Ansatzes nun erneut betont werden. Was uns dabei in den Fokus gerät, pointieren die anschließenden Aussagen zu ganz unterschiedlichen Erfahrungsbereichen und Extremen:

Ich lehne es einfach ab, die Rolle des Opfers zu spielen. (…) …in diesem Augenblick habe ich etwas ungeheuer Wichtiges verstanden: dass ich die Macht hatte, ihm zu vergeben. Das war eine unglaubliche Entdeckung! (…) Die Vorstellung, dass ein Opfer für sein ganzes Leben machtlos bleibt, ist vielleicht das größte, das überwältigendste Problem, das es hat.

Eva Mozes Kor, Überlebende der medizinischen Experimente Joseph Mengeles in Auschwitz, im Interview (2004): Ein Überlebender hat das Recht zu vergeben. In: GESTALTZEITUNG, S. 44, zitiert nach Frankfurter Rundschau, 13.06.2003


Dem Menschen wird der Weg versperrt, über eigene Phantasien zu dem vorzustoßen, was er sich im Sexuellen wünscht. Über die Pornographisierung findet eine Normierung statt. Man denkt: so muss es sein, weil ich es im Fernsehen gesehen habe.

Günter Amendt (2004): „Die Aufgeilung des Publikums ist mir zuwider.“ In: FAZ, 6.6.2004, Nr.23, S. 55


Wir versuchen, möglichst nicht an den Tod zu denken, nicht an unsere Vergänglichkeit, nicht daran, dass wir uns dauernd verändern. (…) Meine These ist, dass wir ein stabiles, kontinuierliches Selbst erfinden, ein Etwas, das wir Selbst nennen, das Bestand hat, das über alle Veränderung hinweg erhalten bleibt: gegen unsere Vergänglichkeit.

Heik Portele (2003): Dorian Gray oder: Die Vergänglichkeit. In: GESTALTZEITUNG, S. 3, Kapitel aus: Portele, G.H. (2002): Wer bin ich? Gedanken zu Selbst und Nicht – Selbst, Köln (EHP)


Eine Beziehung bleibt lebendig, wenn es in ihr einen hohen Umsatz von Geben und Nehmen gibt: Wenn Sie viel gibt und Er viel nimmt, aber gleichzeitig Er auch gibt und Sie viel nehmen kann. Die Aufgabe ist hier, dass beide beides tun.

Hans Jellouschek (2001): Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe. In: GESTALTZEITUNG, S. 3


Neben der gestalttheoretisch – systemischen Grundausrichtung bekommen existenzielle Sinnfragen und Phänomene der Sinnlichkeit wieder ihren angestammten Platz in der Praxis. Dies hat u.a. damit zu tun, dass Fragen zum Sinn des Lebens, zu Selbstvertrauen und zur Sinnlichkeit von Erfahrungen in den Vordergrund unseres gesellschaftlichen Alltags gerückt sind, der von massiven Umwälzungen und Unsicherheiten bestimmt wird, die von jedem Einzelnen möglichst kreativ und selbstkompetent beantwortet werden müssen. Hierzu wird das GIF mit viel Elan auch in Zukunft seine professionelle Unterstützung anbieten.