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Mutterglück – nichts Anderes wird derart romantisiert!

MUTTERGLÜCK! Nichts anderes wird derart romantisiert!

Ein Kind als „I- Tüpfelchen einer Beziehung“, perfekte Mutter, Karrierefrau, attraktive Partnerin, Fotos von glücklich strahlenden Familien in allen möglichen Lebenslagen. In allen? Nein! Niemand postet Fotos vom riesigen leeren Hängebauch direkt nach der Geburt, von schreiroten Babyköpfchen, vom Spiegelbild der Eltern nach der fünften Nacht mit nur zwei Stunden Schlaf, von Wäschebergen, von eingerissenen Brustnippeln, von Milchpumpen, die an Brüsten hängen, von schmutzigem Geschirr und von schmerzverzehrten müden leeren Gesichtern.

All dies ist aber AUCH Realität! Und kaum jemand weiß, dass mindestens jede zehnte Frau nach der Geburt an einer Depression erkrankt. Ja, Risikofaktoren, wie psychische Erkrankungen in der Biographie, eine traumatisch erlebte Geburt, ein Frühchen, ein krankes Kind, fehlende Unterstützung usw. spielen häufig eine Rolle.

Die Romantisierung aber, diese verklärte Erwartung von überschäumenden Glücksgefühlen im Wochenbett mit uneingeschränktem Genuss zarten Babyduftes spielen eine ebenso große Rolle. Nicht zu vergessen der Wunsch und das Bestreben perfekt zu sein als Mutter.

Wird es keine Kinder mehr geben, wenn wir offen und ehrlich über diese Themen reden? Ich glaube nicht. Ich denke, es würde viel Druck nehmen, Schuldgefühle verhindern und dazu beitragen, dass Mütter entspannter in ihre neue Rolle finden können. ALLE Gefühle gehören zum Mutterwerden und Muttersein dazu, auch Traurigkeit, Wut und Verzweiflung. Es ist okay unsicher zu sein, das kleine Wesen erst einmal in Ruhe kennenzulernen und es allmählich „lesen zu lernen“. Und schon kommt der nächste Entwicklungsschritt, alles, was sich bewährt hat, wird schon wieder über den Haufen geworfen und die nächsten Unsicherheiten tauchen auf. Das ist das Projekt „Familie“, ein ständiges Experimentier- und Wachstumsfeld.

Eine frisch geborene Mutter braucht neben einer Rundumverpflegung in den ersten Wochen, eine liebevolle Begleitung in den nächsten Monaten. Sie braucht Menschen, die sie auch ein wenig „bemuttern“, die mit ihr gemeinsam diesen spannenden Weg gehen und sie dabei unterstützen, herauszufinden, was wichtig ist und was gerade nicht. Sie benötigt Neugier, Offenheit und keinen Dogmatismus. Es gibt so viele Wege Familie zu leben, wie es Familien gibt.

Ratschläge, auch wenn sie noch so gut gemeint sind, sind wenig nützlich. Hinzu kommt, dass die Hinweise häufig gegensätzlich sind. „Das Kind muss im eigenen Zimmer schlafen.“ „Du solltest das Baby immer bei Dir haben, lass es in Eurem Bett schlafen.“ „Du musst unbedingt (weiter-) stillen, es ist das Wichtigste.“ „Du solltest abstillen, dann geht’s Dir besser.“ Usw. Es ist unglaublich, was eine (werdende) Mutter alles zu hören bekommt und das in einer Lebensphase, die der Psyche eine enorme Anpassungsleistung abverlangt.

Die „Ich-Grenze“ wird durchlässig, damit die Mutter angemessen und feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen kann. Das ist biologisch sinnvoll, hat allerdings Nebenwirkungen. Die Mutter ist verletzlicher, empfindsamer. Frühere, nicht erfüllte Bedürfnisse und alte Verletzungen werden (unbewusst) aktiviert.

Ich wünsche mir einen achtsamen und behutsamen Umgang mit jungen Müttern, ein liebevolles In-Beziehung-gehen, eine Atmosphäre, in der die Mütter sich trauen über alle Gefühle zu sprechen, diese zu akzeptieren, ohne dass sie bagatellisiert oder dramatisiert werden.

Im Übrigen: Die Natur rechnet nicht mit perfekten Eltern!

Der Verein „Schatten und Licht e.V.“ (www. schatten-und-licht.de) unterstützt Frauen mit psychischen Problemen in dieser sensiblen Lebensphase.

Mareike Lange
mmlange.frankfurt@gmail.com

 

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